Fascination

A Star Is Born

Baddys Karriere-Turbo läuft auf Hochtouren: die Baddy-Dolly-Jane-Welle hat inzwischen auch Asien erreicht. Diesen Erfolg hat Baddy nicht nur ihrer Schönheit zu verdanken. Exklusiv für das Baddyforum International hat die renommierte, philippinische Kunsthistorikerin Louise Anne D. Marcelino Baddys Verhältnis zu ihrem Ruhm und ihrem Status als „Celebrity“ untersucht.

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Louise Ann D. Marcelino

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January 19, 2018

Die Prägung der Berümtheit

»Wie eine Aktivistin, die sich der Rettung der Kunstwelt verschrieben hat, fiel Baddy Dolly Jane über die Szene her«

Gewisse Identitäten entstehen, wenn die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion, Mythos und Realität verschwimmen. Mit ihrer vollbusigen Figur und der aufgesetzten, leuchtend orangefarbenen Baskenmütze wird Baddy Dolly Jane als „eine Radikale, eine Aktivistin, eine unbestechliche Person“ beschrieben. Wir treffen sie inmitten von Straßenprotesten, bei Interventionen in anarchistischen Theateraufführungen, beim Bewerkstelligen eines grandiosen Auftritts während einer Ausstellungseröffnung oder beim Unruhestiften während eines öffentlichen Vortrags am Museum für Moderne Kunst. Die Kunstszene mit ihrem verschlungenen Netzwerk von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen erweist sich als ihre Bühne.

Kein Geringerer als Andy Warhol prägte den Ausdruck „fifteen minutes of fame“. Warhol reagierte damit auf die Vergänglichkeit des „Superstar-Status“. Seine Aussage könnte sich aber auch auf die Möglichkeit beziehen, durch die verschiedenen, in unserer Gesellschaft verfügbaren Medienerzeugnisse Berühmtheit zu erlangen. Der Kunsthistoriker Benjamin Buchloh schlägt eine weitere Lesart vor: Er greift auf Warhols Ablehnung von „Hierarchien von Repräsentationsfunktionen und Kunsttechniken“ zurück und weist darauf hin, dass folglich jeder einen Anspruch auf Ruhm hat, sobald derartige Hierarchien abgeschafft sind.

Baddy Dolly Jane spotted at the domicile of Francesca von Habsburg

A Star is Born

Die Gestalt Baddy Dolly Janes trat 2008, am Tag der Lehman-Pleite hervor, in den Stunden, in dem der viel gefeierte Künstler Damien Hirst trotz der lähmenden Weltwirtschaftskrise auf seiner Auktion Summen in Millionenhöhe ersteigerte. Mit ihrem Interesse für den Kreislauf der kapitalistischen Wirtschaft und dafür, wie er mit seinen Auswirkungen die künstlerischen Tätigkeiten durchdringt, fiel Baddy über die Szene her, wie eine Aktivistin, die sich der Rettung der Kunstwelt verschrieben hatte.

Die Namensgebung Baddy/Dolly ist bezeichnend für den Auftritt und die Gesinnung der Gestalt in der Hypostase eines Enfant terrible. Es gibt eine Andeutung auf etwas Schurkenhaftes – jene aktive, radikale und aufmerksamkeitserregende Facette ihrer Persönlichkeit. Die andere Seite von Baddys Persönlichkeit suggeriert Verletzlichkeit, eine Puppe, die dazu bestimmt ist, angesehen zu werden und als Spielzeug zu dienen. Auf die berühmte Hollywood-Sängerin Dolly Parton anspielend, erscheint Baddy vor Menschenansammlungen oder posiert vor den Kameras mit aufwendigem Make-up, einem vergrößerten Busen oder durch kurze Röcke und hohe Absätze betonte Beine. Ihre aggressive Persönlichkeit und betonte Sexualität bezieht das Kunstsystem mit ein, in dem die Politik des Verlangens und des Genusses sowie die Fetischisierung des Kunstobjekts/-subjekts erstrangige Themen darstellen.

Die im Kunstbetrieb ineinandergreifenden Rollen des Künstlers, Kurators, Kritikers, Professors, Sammlers und Galeristen tragen alle zur facettenreichen Gestalt Baddy Dolly Janes bei. Sie bringt nicht nur eine stichhaltige Kritik an dem Autoritäts- und Berühmtheitsstatus an, der den so genannten „Machern“ der Kunstwelt zugeschrieben wird. Baddy verkörpert eine Berühmtheitsformel, eine „Kreatur des Kapitalismus, die zur Kommodifizierung von Berühmtheit“2 und zur „Konstruktion von Publikum“ beiträgt.3 Theodor Adorno und Max Horkheimer bemerkten, dass Berühmtheiten in Kulturindustrien entstehen, in denen Erfolg in Abhängigkeit von finanziellem Gewinn und dem strategischen Einsatz von Werbung bemessen wird. Wie Murray Milner zeigte, entspricht das Berühmtheitsphänomen „der breiten Skala moderner Sozialorganisationen und der Kommodifizierung der Massenkommunikation“.4 Baddy Dolly Jane ordnet sich in diese Berühmtheitskultur ein, was eigentlich eine Facette ihrer Kritik darstellt, denn dadurch erhält sie das Moment der Attraktivität; indem sie einen autoritären Charakter annimmt, der ihr die Anerkennung und Bewunderung einer Anhängerschaft einbringt; indem sie sich auf physischen und viralen Plattformen positioniert, um ihre „Unbestechlichkeit“ zu sichern. Die Welt, die Baddy Dolly Jane erstellt, ist destilliert auf einer Webseite und wartet darauf, durch begierige Fans konsumiert zu werden.

Unsichtbarkeit

Wie es ein Stab von Soziologen knapp ausdrückte, ist „Berühmtheit eine allgegenwärtige Eigenschaft der zeitgenössischen Gesellschaft, die in das Gedächtnis all jener, die ihren Weg kreuzen, bleibende Eindrücke einprägt“.6 Baddy Dolly Jane hat bei voller Erkenntnis der Prägungen der Berühmtheit und der Art, wie sie fortwährend in unser Bewusstsein, in unsere Sehnsüchte, in unsere tägliche Existenz einsickern, ihre Identität konstruiert. Unser Begriff von Berühmtheit wird dem Ruhm und dem Vermögen, dem Image und dem Ansehen gleichgestellt, vor dem Hintergrund der Verlockungen durch Konsum und anderen kapitalistischen Tendenzen. Berühmtheiten sind eine Art von Elite, die durch jene Medien, Konzerne oder mächtige Einzelpersonen gutgeheißen werden, welche Autorität, Macht und Einfluss ausüben können. Als Teil eines aktiven, zeitgenössischen und transnationalen Phänomens, getragen von einem komplexen Austauschnetzwerk, ist die Welt der Kunst von dieser Zwangslage nicht ausgenommen. Baddy Dolly Jane macht vom Konzept der Berühmtheit Gebrauch und reagiert auf institutionelle Hegemonie (Museen, Galerien oder Auktionshäuser) sowie Programme (internationale Kunstmessen oder staatlich oder durch die Wirtschaft finanzierte Preisverleihungen) ein, um nachzuvollziehen, wie sich die Prioritäten von Künstlern, Kuratoren und anderen am Kunstbetrieb beteiligten Akteuren angesichts derartiger Überlegungen verlagert haben. Die Tatsache, dass Kunst ein Teil der „Kulturindustrie“ geworden ist, stellt ein weiteres wesentliches Element ihrer Kritik dar. Baddy Dolly Jane erforscht die Grenzen ihrer Gestalt als ein Nachsinnen über ihr künstlerisches Handeln in Beziehung zur Welt. Sie erschließt das Potential von Performances und alternativen Medien, um „das wahre Leben“ als Kunst aufzuführen. Vielleicht stellt die Berühmtheit als Gestalt eine Befähigung dar, nicht nur als kritische Position, sondern auch, weil die Erinnerung ihr Vermächtnis und Gepräge ist, ob bleibend oder vergänglich. Öffentliche Aufmerksamkeit bewahrt die Identität der Berühmtheit vor der Bedrohung durch die Unsichtbarkeit. ■

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